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Wie behandeln Sie Patient*innen die bruxieren?

von Prof. Dr. Gregor Slavicek
31. August 2021

Im letzten Artikel hatten wir bereits die Frage aufgeworfen, wie knirschende Patient*innen in der Praxis erkannt und diagnostiziert werden können. Heute wollen wir der Frage nachgehen, welche Therapie bei diesen Patient*innen am besten geeignet ist. Eine eindeutige Antwort ist aus der einschlägigen Literatur nicht abzuleiten, zu unterschiedlich sind die dort enthaltenen Empfehlungen. Aus Sicht der Praxis ist dies sicherlich nicht zufriedenstellend, und viele Kolleg*innen fühlen sich im Stich gelassen. Wenn wir uns jedoch systematisch diesem Thema nähern, so denken wir von Orehab Minds, dass gerade für praktizierende Zahnärzt*innen viel Nützliches abzuleiten ist. Stellen wir zunächst die Frage nach der Zielsetzung von zahnärztlich-okklusalen Maßnahmen bei zähneknirschenden Patient*innen.

Zielsetzung 1: Bruxismus stoppen

Oft wird als therapeutisches Ziel genannt, den Bruxismus abzustellen. Dies ist eine bereits jahrzehntelang bestehende Debatte. Heute können wir mit belastbarer Evidenz ableiten, dass ein Bruxismus durch okklusale Veränderungen nicht gestoppt werden kann. Somit fällt diese Argumentation bei jeglicher Behandlungsbegründung selbstverständlich weg.

Allerdings darf daraus nicht abgeleitet werden, dass keinerlei okklusale Maßnahmen bei dieser Patient*innen-Gruppe indiziert sind. Ganz im Gegenteil. Dazu später mehr.  [1; 2]

Zielsetzung 2: Bruxismus managen

Auch dies ist eine oft genannte strategische Herangehensweise, die ein weites Spektrum an Maßnahmen zusammenfassen. Darunter fallen Verhaltensänderungen, Bio-Feed Back, Schienen, Medikamente, Physiotherapie, Entspannungstechniken und vieles mehr. Auch die Industrie hat seit langen diesen Markt erkannt und bietet vielerlei, teilweise „over-the-counter“, also an der fachlichen Kompetenz der Zahnärzt*innen vorbei, an. Viele der genannten therapeutischen Möglichkeiten fallen jedoch nicht mehr unter die Kernkompetenz der Zahnärzt*innen – die Okklusion und die okklusalen Funktionen erhalten und wiederherstellen. 

Das Management von Patient*innen ist uns aber gar nicht fremd, und oft eine der zentralen Aufgaben in einer Zahnarztpraxis, Begriffe wie Re-Call, Prophylaxe, Nachsorge gehören zu unserem Alltag. Und wir managen auch unsere zähneknirschenden Patient*innen. Allerdings mit unseren Mitteln und Möglichkeiten, gegebenenfalls im interdisziplinären Team. [3; 4]

Zielsetzung 3: Orale Rehabilitation, obwohl die Patient*innen bruxieren

Es sind ja oft gerade die zähneknirschenden Patient*innen, die mit stark zerstörten Zähnen in der Zahnarztpraxis vorstellig werden und Hilfe suchen. Zahnärzt*innen sind an der bestmöglichen Betreuung seiner (bruxierenden) Patient*innen interessiert. Es ist eine invasive prothetische Therapie in diesen Situationen indiziert und erforderlich. Und daran führt kein Weg vorbei: die erforderliche prothetische Versorgung der knirschenden Patient*innen muss unter Berücksichtigung des Bruxismus erfolgen. [5; 6; 7]

Zunächst ist sicherlich eine exakte Befundaufnahme inklusive der Darstellung des Bruxismus erforderlich – insbesondere auch deswegen, damit die Patient*innen das Zähneknirschen durch Visualisieren versteht und therapeutische Empfehlungen akzeptieren kann. Jede Diagnostik hat therapeutische Konsequenzen. So ist das einfache und kostengünstige Instrument DRS BRUX eine Möglichkeit, dies mit wenig Aufwand in der Praxis umzusetzen. Anschließend kann in einer festgelegten Behandlungsstrategie schrittweise die funktionelle Okklusion wiederhergestellt werden. Schrittweise deswegen, da in der Regel nicht in einem Schritt sämtliche erforderliche Parameter der Okklusion wiederhergestellt werden können. Es ist für praktizierende Zahnärzt*innen wichtig zu verstehen, dass es durchaus möglich ist, das Bruxieren zu beeinflussen. Eine korrekt und funktionell eingestellte Okklusion stellt das Bruxieren nicht ab (siehe oben), jedoch ändert sich das Bruxiermuster – die Kräfte beim Bruxieren sind nach der Therapie geringer, die Zahnkontakte deutlich näher an der Zentrik und nicht so weit exzentrisch, was wiederum geringere Belastungen für alle Strukturen und Materialien zu Folge hat. [8; 9; 10]

Zielsetzung 4: Betreuung nach der oralen Rehabilitation

Nach der okklusalen Therapie ist es sicherlich notwendig, den Patient*innen in ein funktionelles Re-Call System aufzunehmen. Als prophylaktische Maßnahme kann eine intraorale individuelle Schiene hergestellt werden. Die informierten Patient*innen verstehen diese Maßnahmen sehr wohl und fühlen sich gut betreut – sie erkennen den Unterschied zwischen der individuellen Maßnahme basierend auf der Praxiskompetenz und den allgemeinen Angeboten des Handels. [11]

Fazit:

Jeder Mensch knirscht mit den Zähnen, viele mit erheblichen Kräften. Die Betreuung dieser Patient*innen in der Praxis kann eine sich lohnende und befriedigende Aufgabe darstellen. Das Beherrschen der Okklusion inklusive der okklusalen Funktionen ist erlernbar und durch systematisches Vorgehen umsetzbar, und zwar nicht nur mit jahrzehntelanger Erfahrung. Sicherlich, aller Anfang ist schwer – aber im Rahmen eines Curriculums Orale Rehabilitation für alle Kolleg*innen unter Anleitung sofort umsetzbar.

 

 

 

 

Literaturverzeichnis

 

 

[1] Yap AU, Chua AP Sleep bruxism: Current knowledge and contemporary management J Conserv Dent. 2016;19(5):383-9. 

[2] Beddis, H, Pemberton, M, Davies S. Sleep bruxism: an overview for clinicians. Br Dent J 2018;225,497–501 

[3] Sato S, and Slavicek R The masticatory organ and stress management. International Journal of Stomatology & Occlusion Medicine 2008;1.1:51-7.

[4]  Lobbezoo F. et al. International consensus on the assessment of bruxism: Report of a work in progress J Oral Rehabilitation 2018;1-8  

[5] Reichardt G, Miyakawa Y, Röthele V. Strategische hochkomplexe Rehabilitation mit Zehn-Jahres-Kontrolle ZWL Zahntechnik Wirtschaft Labor 2020;6

[6] Tago C, Aoki S, Sato S. Status of occlusal contact during sleep bruxism in patients who visited dental clinics–A study using a BC® CRANIO® 2018;36(3):167-73 

[7]  Johansson A, Ridwaan O, Carlsson GE. Bruxism and prosthetic treatment: a critical review. Journal of Prosthodontic Research 2011:55(3)127-36

[8] Greven M, Onodera K, Sato S. The use of the BC in the evaluation and treatment of bruxism Zeitschrift für Kraniomandibuläre Funktion 2015;7.(3): 1-11

[9] Yamaguchi T, et al. Portable and wearable electromyographic devices for the assessment of sleep bruxism and awake bruxism: a literature review. CRANIO® (2020):1-9 

[10]  Sagl B., Schmid-Schwap M., Piehslinger E. et al. Effect of facet inclination and location on TMJ loading during bruxism: an in-silico study Journal of Advanced Research 2021 

[11]  Wassell, R. W., et al. Over-the-counter (OTC) bruxism splints available on the Internet. British dental journal 2014;216(11) E24

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